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Schluss mit Verschwendung

Schluss mit Verschwendung

So sollen Recycling und Kreislaufwirtschaft in Deutschland zur Regel werden

Wiederverwerten statt wegwerfen. Mehr Kreislaufwirtschaft schont die Umwelt und spart Ressourcen. Das Prinzip mögen Unternehmen und Politik gleichermaßen. Bundesregierung und EU formulieren dazu ehrgeizige Ziele. Um sie zu erreichen, müssen sich Unternehmen intensiver mit Rohstoffkreisläufen und zirkulären Strategien auseinandersetzen und ihre Geschäftsmodelle anpassen.

Erfahren Sie in unserem Artikel:

  • Welche Ziele die Politik für Ressourceneinsatz und Ressourceneffizienz vorgibt
  • Warum Kreislaufwirtschaft mehr als nur Recycling bedeutet
  • Wie Unternehmen Prinzipien der Kreislaufwirtschaft auf ihre Geschäftsstrategien übertragen

Deutschland ist nicht reich an Rohstoffen, aber immer noch sehr hungrig bei deren Verbrauch. Laut dem aktuellen Ressourcenbericht des Umweltbundesamts verschlang allein die Metallerzeugung im Jahr 2022 rund 567 Millionen Tonnen, das Bauwesen 314 Millionen Tonnen und die Produktion sonstiger Güter 444 Millionen Tonnen. Das Problem: Einen Großteil dieser Rohstoffe muss Deutschland importieren, was zu Abhängigkeiten führt und durch Abbau, Verarbeitung und Transport große Mengen an Treibhausgasemissionen verursacht. 

Nur gut 13 Prozent aller eingesetzten Rohstoffe erhalten ein zweites Leben und fließen als sogenannte Sekundärrohstoffe in die Wirtschaft zurück. Dieser Anteil soll steigen. Im Juni hat die Bundesregierung mit der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) einen Handlungsrahmen vorgestellt, in dem Unternehmen in den kommenden Jahren ihre Geschäftsmodelle von einer Durchflusswirtschaft auf eine Kreislaufwirtschaft umstellen können. In der Strategie, die noch in diesem Jahr vom Kabinett verabschiedet werden soll, sind etwa Standards für langlebige Produkte, Quoten für den Einsatz von Rezyklaten auf EU-Ebene, die Stärkung eines nachhaltigen Konsums durch ein „Recht auf Reparatur“ sowie die Umsetzung des digitalen Produktpasses. 

Dieser soll im Rahmen der EU-Ökodesign-Verordnung bis spätestens 2030 für alle Produktgruppen eingeführt werden. In ihm sind alle Komponenten, Materialien und chemischen Substanzen aufgelistet, die ein Produkt enthält, sowie Informationen zu Reparierbarkeit, Ersatzteilen oder fachgerechter Entsorgung. Das soll es Verbrauchern leichter machen, Produkte länger zu nutzen – und Entsorgern, sie am Ende ihres Lebens so zu zerlegen und zu sortieren, dass möglichst viele Sekundärrohstoffe erhalten bleiben. 

Jeder zweite Unternehmer sieht Kreislaufwirtschaft als Chance

Große Branchenverbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) oder der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) begrüßten in Stellungnahmen die Pläne der NKWS. Vor allem weil sie – so etwa der BDI – geeignete rechtliche Rahmenbedingungen setze, damit sich zirkuläre Produkte und Geschäftsmodelle vor allem im Zuge marktwirtschaftlicher Prozesse ergäben. Sprich: Damit Kreislaufwirtschaft wettbewerbsfähig wird.

Die Voraussetzungen dafür sind gut. Deutschland habe in den vergangenen 30 Jahren eine hochwertige Entsorgung und wichtige Strukturen für eine Kreislaufwirtschaft aufgebaut, etwa bei der Sammlung, Sortierung und dem Recycling von Abfällen, heißt es in der NKWS. Und auch in den Unternehmen kommt das Thema raus aus der Nische. In einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie in einer Kreislaufwirtschaft eher eine Chance als ein Risiko für ihr Unternehmen sehen. Obwohl 60 Prozent der Geschäftsführer:innen sich sorgen, dass Kosten und neuer bürokratischer Aufwand auf sie zukommen, haben sich bereits 54 Prozent damit beschäftigt, wie sie Elemente der Kreislaufwirtschaft in ihr Geschäftsmodell integrieren können. Etwa um Materialkosten zu sparen, ihre Lieferketten zu stabilisieren oder aber neue Kundengruppen mit nachhaltigeren Produkten anzusprechen.

Kreislaufwirtschaft ist mehr als nur Recycling

Gleichwohl: Was genau eine Kreislaufwirtschaft kennzeichnet, darüber herrscht weniger Einigkeit. Oft wird der Begriff hierzulande noch vorschnell mit Recycling gleichgesetzt. Ganzheitlich betrachtet geht es allerdings um sehr viel mehr, Recycling ist nur Teilbereich.

Die Wissenschaft definiert neun „R-Strategien“:  

  • refuse (vermeiden)
  • rethink (überdenken)
  • reduce (reduzieren)
  • reuse (wiederverwenden)
  • repair (reparieren)
  • refurbish (überholen)
  • remanufacture (wiederaufbereiten)
  • repurpose (umnutzen)
  • recycle und recover (zurückgewinnen)

Diese wiederum lassen sich drei große Gruppen einteilen: Bei „refuse, rethink, reduce“ geht es um die Frage, ob ein Rohstoff überhaupt eingesetzt werden muss oder ob sich dessen Menge reduzieren lässt. Bei „reuse, repair, refurbisch, remanufacture, repurpose“ dreht sich alles um die Verlängerung des Lebenszyklus eines Produkts und seiner Teile. Und erst bei „recycle“ und „recover“ geht es darum, die in einem Produkt enthaltenen Rohstoffe zurückzugewinnen und erneut zu nutzen.

Wo Kreislaufwirtschaft schon gelebte Praxis ist

Da Unternehme diejenigen sind, die Produkte entwickeln und herstellen, können sie vor allem auf die ersten zwei Bereiche Einfluss nehmen. So wie der Leuchtenhersteller Waldmann. Dessen Designer bestimmen nicht nur wie die Produkte des Mittelständlers aus Villingen-Schwenningen aussehen – sondern auch wie gut deren Umweltbilanz ist. Waldmann entwickelt seine Leuchten so, dass sie am Ende ihres Lebens komplett in ihre Einzelteile zerlegt und die Materialien wiederverwendet werden können. Dazu verzichtet das Unternehmen etwa auf toxische Beschichtungen oder auf Verklebungen, die sich nicht wieder lösen lassen. Gerade für Elektrogeräte kann das ein richtiger Weg sein. Wenn Dinge einfach konstruiert sind, lassen sie sich auch einfacher reparieren.

Ausgerechnet die ifa, die weltweit größte Messe für Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte, die Anfang September in Berlin stattgefunden hat, macht Hoffnung, dass ein Umdenken stattfindet. Miele hat dort einen zirkulären Staubsauger vorgestellt, der komplett zerleg- und reparierbar ist. Noch ist er nur eine Konzeptstudie und nicht zu kaufen. Doch Miele denkt die Idee bereits weiter. Der Hersteller geht davon aus, dass Kunden solche Geräte in Zukunft nicht mehr kaufen, sondern lediglich für eine Nutzungsdauer ausleihen und dann zurückgeben.

Ein ähnliches Angebot macht heute schon die BSH-Gruppe, die Haushaltsgeräte der Marken Bosch, Siemens und Neff unter sich vereint. Seit 2021 können Kunden von BSH für einen geringen Betrag im Monat einen Kühlschrank, eine Waschmaschine oder einen Kaffeevollautomaten mieten, Pflegeprodukte inklusive. Für die Kaffeemaschine landet beispielsweise regelmäßig ein Entkalker in der Post. So will BSH sicherstellen, dass die Geräte nach Ablauf der Leihe einfach gecheckt, repariert und wieder auf die Reise geschickt werden können.

Kreislaufwirtschaft und Leasing – das passt

Die Idee an sich ist nicht neu. BSH und Blue Movement setzen sie lediglich konsequent um. „Anlagen-, Fuhrpark- oder IT-Leasing funktioniert schon lange nach dem gleichen Prinzip“, sagt Simone Lönnendunk, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Deutschen Leasing. „Auch wir bringen Hardware, Autos und Maschinen nach Ablauf der Leasingdauer und nach einer Überarbeitung zurück in den Zweitmarkt.“ Für Aufbereitung und Weiterverkauf von Fahrzeugen und IT unterhält die Deutsche Leasing zum Beispiel mit der Auto Expo einen eigenen Standort. Bei Maschinen und Anlagen arbeitet sie eng mit den Herstellern zusammen. „Hier versuchen wir als Anbieter aktiv, den Lebenszyklus von Leasinggütern zu verlängern“, sagt  Lönnendunk.

Inzwischen erlebt sie aber auch, dass die Initiative vermehrt von Unternehmen ausgeht. „Wir hatten gerade erst den Fall, dass ein Konzern seine Büros mit neuen Möbeln über ein Leasingmodell ausstatten wollte und in ihrer Ausschreibung an die Möbelhersteller klar die Bedingung vorgeben hat, dass die Möbel entweder recyclingfähig sind oder in der Zweitverwendung an einen karitativen Zweck gehen.“ sagt Lönnendunk.

Das Beispiel zeigt: Das Interesse der Wirtschaft an kreislauffähigen Produkten und Prozessen nimmt zu. Und das muss es auch. Zum einen, um die ehrgeizigen Ziele der NKWS und der EU zu erreichen. Aber mehr noch, um den Wirtschaftsstandort nachhaltig zu stärken. Denn auch das unternehmerische Potenzial ist gewaltig. Die Unternehmensberatung BCG hat ausgerechnet, dass der Markt für die sogenannte Circular Economy schon bis 2030 ein Volumen von bis zu 800 Milliarden Euro erreicht. 

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