
ESG: Was ändert sich mit dem „Omnibus“?
Warum auch das „Omnibusverfahren“ den grünen Fahrplan nicht aus dem Takt bringt
Die Kritik an umfangreichen Berichtspflichten für Unternehmen hat die Politik zum Gegensteuern bewegt: Ende Februar dieses Jahres 2025 hat die EU-Kommission im Rahmen des „Omnibusverfahrens“ einen Vorschlag zur Reduzierung der ESG-Berichtspflichten vorgelegt. Die erste Omnibus-Richtlinie, die sog. „Stop the clock“-Richtlinie, ist mittlerweile in Kraft getreten. Sie verschiebt die Erstanwendung einiger Vorschriften, die in Deutschland allerdings noch nicht umgesetzt waren. Die zweite Omnibus-Richtlinie, die sog. „Content“- bzw. inhaltliche Änderungsrichtlinie (COM[2025] 81), ist weiterhin im Gesetzgebungsprozess. Diese sieht v.a. die Reduzierung der Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen und weitere Erleichterungen vor.
Das sind die konkreten Reformvorschläge:
1. EU-Taxonomieverordnung
Die Vorgaben sollen jetzt nur noch für Firmen gelten mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Millionen Euro Umsatzerlösen. Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, aber weniger als 450 Millionen Euro Umsatz, sollen die Berichterstattung freiwillig gestalten können. Zudem soll der administrative Aufwand für die Unternehmen spürbar zurückgehen. Unter anderem ist geplant, dass die Zahl der Dateneingabepunkte um bis zu 70 Prozent sinken soll. Eine wichtige Rolle spielt auch die sogenannte Wesentlichkeit: Demnach ist vorgesehen, dass die Berichterstattung über Aktivitäten ausgelassen werden kann, wenn diese weniger als zehn Prozent des Gesamtumsatzes, der Investitionsausgaben oder der Betriebsausgaben ausmachen.
2. CSRD
Der Anwenderkreis für die CSRD-Berichtspflichten wird auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von mindestens 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro begrenzt. Unternehmen, die erstmals berichten müssen, erhalten zudem zwei Jahre mehr Zeit – die Berichterstattung für das Geschäftsjahr 2027 wird demnach erst im Jahr 2028 fällig. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden gilt diese Frist hingegen nicht, sie müssen wie geplant ab 2024 berichten.

CSRD-Reform 2025
Erleichterungen, Aufschübe, neue Spielräume – das aktualisierte CSRD-Gesetz macht es mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern leichter, sich auf kommende Pflichten einzustellen. Wer diese Zeit jetzt clever nutzt, kann mit schlanken Tools und digitalem Vorsprung punkten. Worauf es in der Praxis ankommt und warum Ihr Handeln schon heute entscheidend ist, lesen Sie hier:
Welche Erleichterungen sind geplant?
Die ursprünglich geplanten sektorspezifischen Standards entfallen, ebenso bleibt es bei einer weniger aufwendigen Prüfung („limited assurance“) und nicht, wie ursprünglich angedacht, einer möglichen ausführlichen Kontrolle („reasonable assurance“). Mittelständische Unternehmen, die sich bislang mit hohen bürokratischen Hürden konfrontiert sahen, können ebenfalls aufatmen – ihre Berichtspflichten sollen deutlich reduziert werden. Kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen sind künftig nicht mehr Teil des CSRD-Anwenderkreises.
3. CSDDD
Für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und mehr als 450 Mio. Euro Nettoumsatz soll die europäische Lieferkettenrichtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) weiter abgeschwächt werden.
Die EU-Kommission plant, die Sorgfaltspflichten auf die eigene Tätigkeit, die von Tochterunternehmen und direkten Geschäftspartnern zu beschränken, wobei indirekte Geschäftspartner grundsätzlich ausgenommen werden, es sei denn, es bestehen Hinweise auf Risiken oder Verstöße.
Zudem nähert sich die europäische CSDDD damit an das weniger tiefgreifende nationale deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz an. Das betrifft vor allem die Berichtspflichten und Maßnahmen in Bezug auf mittelbare Zulieferer. Auch in einem weiteren Punkt kommt die EU-Kommission dem Mittelstand entscheidend entgegen: Die aktuelle CSDDD verpflichtet Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen zur Beendigung der Vertragsbeziehung, wenn bei schwerwiegenden potenziellen oder tatsächlichen negativen Auswirkungen ein milderes Mittel – wie etwa eine Aussetzung der Vertragsbeziehung und Korrekturpläne – keinen Erfolg verspricht. Die geplante Reform sieht vor, die Pflicht zur Beendigung von Geschäftsbeziehungen zu streichen, um produktionskritische Lieferketten nicht zu unterbrechen und den Lieferanten die Möglichkeit zur Verbesserung der Situation zu geben. Stattdessen soll der Fokus auf einer vorübergehenden Aussetzung der Vertragsbeziehung liegen.
Für Erleichterung bei vielen Vorständen und Geschäftsführern sollte auch der verringerte Überwachungsaufwand sorgen: Die Angemessenheit und Wirksamkeit aller Maßnahmen ist nach der aktuellen CSDDD mindestens alle zwölf Monate zu überprüfen. Die EU-Kommission möchte den Aufwand reduzieren – und dieses Zeitfenster auf insgesamt fünf Jahre erweitern.
Ein weiterer Reformpunkt, der Unternehmen mehr Zeit gibt: Die Pflichten aus dem CSDDD sollen nach den veränderten Plänen der EU-Kommission nun erstmals ab dem 26. Juli 2028 angewendet werden müssen – das bedeutet einen Aufschub von einem Jahr.
Wie geht es mit dem Omnibusverfahren nun weiter?
Am 11. Juli 2025 hat die Europäische Kommission einen delegierten Rechtsakt zur Änderung des Europäische Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) Set 1 erlassen, der die dort enthaltene Übergangserleichterungen verlängert. Die Änderungen sind im Kontext des Omnibus-1-Pakets zu sehen und haben das Ziel, Unternehmen der sog. Welle 1 zu entlasten, indem sie für die Geschäftsjahre 2025 und 2026 entweder keinen neuen weiterführenden Berichtspflichten als zum Erstanwendungszeitpunkt unterliegen oder indem bereits bestehende Berichtspflichten zurückgenommen werden. Die Änderungen sollen für ab dem ersten Januar 2025 beginnende Geschäftsjahre gelten.
Sollten innerhalb der nächsten 4 Monate seitens EU-Parlament und EU-Rat keine Einwände erhoben werden, wird der delegierte Rechtsakt im EU-Amtsblatt veröffentlicht und gelten unmittelbar.
- November 2025:Finaler Vorschlag der EU Kommission zur Überarbeitung der ESRS, der dann von den zuständigen Ausschüssen des EU-Parlaments beraten und anschließend im Plenum abgestimmt wird.
- Ende 2025/2026: Verhandlung zwischen EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission zur Finalisierung des delegierten Rechtsakt.
Nach Veröffentlichung der Omnibus-Richtlinie im Amtsblatt der EU erfolgt die nationale Umsetzung innerhalb von zwölf Monaten. Änderungen und Verzögerungen sind während dem Gesetzgebungsprozess und Erlass der EU-Rechtsakte jederzeit möglich.
Was Unternehmen beachten sollten?
„Die bereits erfolgten Maßnahmen zur Erfüllung der erwarteten Berichtspflichten waren keineswegs vergeblich,“ beruhigt Andrea M. Sternisko, Partner für die Themen Audit, Regulatory Advisory, Sustainability Reporting & Governance sowie Head of ESG Life Sciences & Chemicals Germany bei KPMG AG. „Auch wenn sich der regulatorische Rahmen mit der Omnibus-Initiative deutlich ändern dürfte, sollten Unternehmen die hohe Relevanz des Themas Nachhaltigkeit – etwa für die CO2-Berichterstattung – nicht unterschätzen. Zudem kann es mit Blick auf die eigenen Geschäftsmodelle sowie die steigenden Kosten für Energie und Emissionen nur von Nutzen sein, sich möglichst frühzeitig und umfassend mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen.“

„Das Thema Nachhaltigkeit wird entbürokratisiert – und das ist gut so. Es wird hier und da etwas aufgeschoben – aber keinesfalls aufgehoben.“
Saskia Brüggemann, Leiterin Team Nachhaltigkeit bei der Deutschen Leasing
Grüne Effizienz und Transparenz zahlen sich bei der Finanzierung auch künftig aus
Saskia Brüggemann, Leiterin Team Nachhaltig bei der Deutschen Leasing, ist zudem überzeugt davon, dass eine maximale Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit künftig verstärkt über den Zuschlag und die Konditionen von Finanzierungen entscheiden wird: „Das Thema Nachhaltigkeit wird entbürokratisiert – und das ist gut so. Es wird hier und da etwas aufgeschoben – aber keinesfalls aufgehoben.“ Gerade Unternehmen, die sich bis dato eher wenig mit dem Thema befasst haben, sollten die Gelegenheit und die durch das Omnibusverfahren teils neu gewonnene Zeit nutzen, das jetzt nachzuholen.
Nachhaltigkeitsrisiken im Fokus

Nachhaltigkeit wird bei der Kreditvergabe zunehmend wichtiger, da Banken aufgrund regulatorischer Vorgaben verstärkt ESG-Faktoren berücksichtigen müssen. Unternehmen sollten sich darauf vorbereiten:
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