Im Interview
Daniel Veit ist Wirtschaftsprofessor in Augsburg und forscht zur Sharing Economy
Die Sharing Economy belebt klassische Formen des Handels neu: Digitale Marktplätze bringen potenzielle Handelspartner zusammen und begründen eine neue Form der Ökonomie, in der Besitz und Eigentum eine geringere Rolle spielen und die gemeinschaftliche Nutzung von Dingen wieder in den Vordergrund tritt.
Die Sharing Economy gehört zu den viel diskutierten Themen. Was ist damit wirklich gemeint?
Wir haben es mit einem eher diffusen Begriff zu tun, bei dem es im engeren Sinn um die gemeinsame Nutzung individueller Ressourcen und im Weiteren um die unternehmerische Bereitstellung von Ressourcen geht. Im Kern liegt eine Sharing Economy vor, wenn Privatpersonen Dinge, die eigentlich zum privaten Konsum angeschafft wurden, anderen zur Verfügung stellen. In der öffentlichen Diskussion gibt es aber viele Bereiche, die ebenfalls der Sharing Economy zugerechnet werden, bei denen es sich im engeren Sinn aber eigentlich eher um das handelt, was man „collaborative consumption“, also gemeinsamen Konsum, nennt. Das liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein Unternehmen Güter anschafft, die ursprünglich für einen Einzelkonsum gedacht waren, aber nun für mehrere Kunden zur Verfügung stehen. Ein Beispiel dafür sind die Mobilitätsdienstleister car2go und DriveNow, die einen Fahrzeugpark anbieten, der anders als Mietwagen spontan und kurzfristig genutzt werden kann.
Ist die Sharing Economy denn wirklich etwas Neues? Manche Experten sagen, vergleichbare Modelle habe es in der Wirtschaftsgeschichte immer schon gegeben. Als Beispiel wird dann gerne die Allmende genannt, die in der Digitalökonomie im Modell der „creative commons“ eine Renaissance erlebt.
Die Allmende hat ihre Wurzeln in der Landwirtschaft. Es ging dabei um die gemeinschaftliche Nutzung von Flächen und Ressourcen. Dieses Prinzip findet sich in Teilen auch in der modernen Sharing Economy wieder, beispielsweise beim „Joint Gardening“, also der Idee, dass man gemeinsam Flächen bewirtschaftet und sich die Erträge teilt. Auch genossenschaftliche Modelle werden gerne als Vorläufer der Sharing Economy betrachtet.
Im Kern gibt es da sicher einige Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten. In unserem Forschungsprojekt „iShare“ nehmen wir darum durchaus auch einige Organisationen in den Blick, die auf solchen traditionellen Modellen basieren. Mir scheint allerdings, dass viele dieser Organisationen sich eher deshalb auf den Begriff „Sharing Economy“ beziehen, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Geschäfts- und Nutzungsmodelle in ein neues Gewand zu kleiden.
Ein ganz zentraler Aspekt der modernen Sharing Economy sind aber die digitalen Medien, die „App Economy“, die eine ganz neue Art von zweiseitigem Markt, von Kunde zu Kunde, ermöglichen. Dadurch können Transaktionen zustande kommen, die es vorher so nicht gegeben hätte, weil sich die Teilnehmer nicht gefunden und keine Plattform zur Verfügung gehabt hätten.
Der Begriff des Teilens hat auch eine hohe emotionale Qualität. Ist das mit ein Grund für den aktuellen Erfolg der Sharing Economy?
Es ist tatsächlich so, dass viele Protagonisten und Evangelisten der Sharing Economy darin einen Weg sehen, der weg von einer Konsumgesellschaft und hin zu einer neuen Idee gemeinschaftlichen Wirtschaftens führt. Das hat damit zu tun, dass Kapitalismus und Marktwirtschaft eine Krise durchlaufen. Die moderne Wirtschaftsordnung hat sich zwar als dominantes Paradigma durchgesetzt, aber viele Menschen bleiben doch auf der Strecke. Deswegen gibt es Gegenströmungen.