Näher heran: Wertschöpfungskette neu denken
Autor: Georg Hansjürgens, Mitglied des Vorstands der Deutsche Leasing
Kurzfristiges Handeln neben langfristiger strategischer Neuplanung
Kein Sonnenblumenöl in den Regalen, lange Lieferzeiten für Autos und starke Preissteigerungen am Bau: Was Verbraucher im Alltag gerade erleben, hat seine Gründe in der engmaschig vernetzten Wirtschaftswelt. Deutschen Autobauern fehlen asiatische Computerchips oder Kabelbäume für Bordnetze aus der Ukraine, heimisches Holz geht an besser zahlende Kunden im Ausland.
Für die Verbraucher mögen solche Unterbrechungen ärgerlich sein, Konzerne wie Mittelständler stellen sie vor große Herausforderungen. Bei Unternehmen ist neben dem kurzfristigen Handeln langfristige strategische Neuplanung angesagt. Kurzfristig, um aktuell für Ersatz zu sorgen, langfristig, um sich von den heute unsicher gewordenen Quellen morgen unabhängig zu machen. Aber wie reagieren: die Produktion von der nach Asien verlängerten Werkbank wieder in die europäische Nachbarschaft oder nach Deutschland zurückholen, oder noch mehr globalisieren und smart diversifizieren?
Wertschöpfungsketten effizienter und resilienter gestalten
Der freie Handel auf Basis verlässlicher internationaler Beziehungen ist am besten geeignet, für Sicherheit, Wohlstand und Frieden zu sorgen. Deshalb liegt die Zukunft in offenen Märkten, auch wenn dabei heute präziser als zuvor Risiken und Potenziale sowie Kosten und Nutzen gegeneinander abgewogen werden müssen. Anders als früher helfen heute digitale Tools und flexible Nutzungsmodelle dabei, Wertschöpfungsketten effizienter und damit resilienter zu machen. So lassen sich nicht nur Kosten sparen und flexibilisieren, sondern auch das Leistungsspektrum der eigenen Produktion erweitern.
Reshoring ist bereits Realität, Abhängigkeiten müssen reduziert werden. Der Trend dazu ist zwar schon seit Längerem zu beobachten, hat sich aber in jüngerer Zeit verstärkt und wird mit dem Ukraine-Konflikt eine wesentliche Beschleunigung erfahren. Auch die ständig steigende Zahl bilateraler Handelsverträge macht globales Wirtschaften nicht einfacher. Seit den frühen 1990er-Jahren ist ihre Zahl von 37 auf zuletzt 354 aktive Vereinbarungen gestiegen. Insgesamt beobachten wir einen deutlichen Rückgang der Globalisierung und einen ausgeprägten Trend hin zur Lokalisierung.
Investitionen für neue Produktions- oder Logistikstandorte nötig
Manchmal ist die Ansiedlung der Produktion vor Ort oder wenigstens in der Nähe auch politisch gewollt. Ein Beispiel dafür ist eine hiesige Batterieherstellung, die in der EU stark gefördert wird, ein anderes die Fertigung von Computerchips, die in Europa mit Milliardenhilfen ebenfalls wieder gestärkt wird. Andere Branchen wie beispielsweise die Textilhersteller passen sich mit einer Rückholung der Produktion einem Markt an, der eine Schnelligkeit und Flexibilität fordert, die mit Fabriken in China und langen Transportwegen nicht zu machen sind.
In vielen Fällen sind umfangreiche Investitionen nötig, um Produktions- oder Logistikstandorte aufzubauen. Das gilt für Investitionen in Gebäude ebenso wie für Ausrüstung und Maschinen, insbesondere in Automatisierungstechnik, um die höheren Lohnkosten in Europa auszugleichen. Für die Finanzierung bieten sich Asset-Finance-Lösungen an. Vorteile wie geschonte Liquidität, flexible Verträge und die Möglichkeit, die Technik regelmäßig zu erneuern, passen besonders gut zu einer Zeit, in der gleich mehrere Faktoren Veränderungen anschieben. Mit ihrer Liquiditätssicherung und dem Schutz vor Forderungsausfällen ist auch Factoring ein Mittel, Investitionen zu sichern.
Dieser Beitrag ist am 6. April 2022 im Börsen-Zeitung Spezial „Mittelstandsfinanzierung“ erschienen.
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