
Krypto-Technologie ist gut, mit Kontrolle noch besser?
Warum die Zentralbanken Bitcoin und Co. Konkurrenz machen und was das für den Zahlungsverkehr bedeutet
Die Beträge bei Zahlungen in Bitcoin sind gewöhnungsbedürftig. Eine Zehn-Euro-Pizza bei Lieferando kostet Anfang Januar 2022 0,00027 Bitcoin. Eine Übernachtung in einem Haus der Hotelkette A+O-Hostels 0,0012 Bitcoin. Immer mehr Händler und Dienstleister akzeptieren Kryptowährungen. Über spezialisierte Suchmaschinen wie Spendabit finden Verbraucher inzwischen Tausende Produkte, die mit Bitcoin bezahlt werden können. Diese am weitesten verbreitete Kryptowährung wird immer populärer. Die Marktkapitalisierung betrug im Dezember 2021 rund 905 Milliarden US-Dollar. Ob sie das Zeug zum massentauglichen Zahlungsmittel hat, daran bestehen allerdings Zweifel.

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Unberechenbare Kursschwankungen
Im Mai 2021 kündigte Tesla an, seine Autos gegen Bitcoin zu verkaufen. Ein Tesla Model 3 wäre für 1,002 Bitcoin zu haben. Kurze Zeit später ruderte das Unternehmen aber wieder zurück. Offizielle Begründung: der hohe Energieverbrauch von Bitcoin-Transaktionen und -Mining passe nicht zum sauberen Elektroauto-Image. Inoffiziell dürfe auch der extrem schwankende Wechselkurs eine Rolle gespielt haben. So bekamen Anleger im Januar 2021 für einen Bitcoin gut 25.000 Euro. Im April waren es in der Spitze mehr als 50.000, bevor der Kurs wieder auf 26.000 Euro im Juli fiel um anschließend erneut in die Höhe zu schießen. Derzeit notiert er bei rund 37.000 Euro. Die großen Wertschwankungen, bisweilen sogar innerhalb eines Tages – auch ausgelöst durch Tweets von Bitcoin-Milliardären wie Elon Musk – machen die Kryptowährung unberechenbar.
Wann setzen sich Digitalwährungen als Zahlungsmittel durch?
Eine Lösung möchte unter anderem der umbenannte Facebook-Konzern Meta schaffen. Dessen neues Projekt heißt Diem und soll als sogenannter Stable Coin an die Wertentwicklung einer herkömmlichen Währung gekoppelt sein, in dem Fall US-Dollar. Mit einem solchen Mechanismus würde er für den Handel interessant, schreibt der Handelsverband Deutschland (HDE) in einem Positionspapier: „Bitcoins und anderes Kryptogeld haben sich bislang als Zahlungsmittel nicht durchsetzen können. Die Ankündigungen des Diem-Konsortiums zeigen aber, dass eine bestimmte Form von digitalem Bargeld durchaus auf Nachfrage stoßen könnte.“
Wer kontrolliert das Digitalgeld?
Eine weitere Frage aber bleibt: Wer bestimmt die Regeln, nach denen (digitales) Geld funktioniert? Sind es private Unternehmen wie Meta, eine Gruppe von Programmierern wie bei Bitcoin und Ether oder Staaten und deren Notenbanken? Bisher waren die Märkte für Kryptowährungen eher klein, Bitcoin und Co. Dienten vor allem der Spekulation – und die Zentralbanken akzeptierten, dass sie außen vor sind. Mit Facebook im Rücken würde Diem aber Milliarden Nutzern zur Verfügung stehen und zur ernsthaften Konkurrenz für etablierte Zahlungsmittel.

Die EZB lotet den digitalen Euro aus
Um ihre Souveränität zu schützen, gleichzeitig aber die Vorzüge der Blockchain-Technologie zu nutzen und ihren Bürgern eine Alternative zur unkontrollierten Konkurrenz an Kryptowährungen zur Verfügung zu stellen, arbeiten zahlreiche Notenbanken unter Hochdruck an eigenen Lösungen – sogenannten GovCoins oder auch CDBCs (Central Bank Digital Currencies). Die EZB hat im Juli 2021 den Startschuss zur Evaluation eines digitalen Euro gegeben. „Unsere Arbeit soll sicherstellen, dass Privatpersonen und Unternehmen im digitalen Zeitalter weiterhin Zugang zu der sichersten Form von Geld – dem Zentralbankgeld – haben“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Bis 2023 will die Bank dem europäischen Parlament eine Empfehlung für oder gegen einen E-Euro aussprechen. Zuvor müssen die Experten Fragen beantworten, die sich mit einem digitalen Zentralbankgeld stellen: Was würde das für Geschäftsbanken bedeuten, wie würden sie sich refinanzieren, und braucht es eine Obergrenze für digitales Vermögen, damit die Bürger nicht ihr gesamtes Geld umschichten?
China testet E-Yuan bei Olympia
Im Reich der Mitte ist man schon einen Schritt weiter. Dort sollen die Besucher wie auch die Teilnehmer der Olympischen Winterspiele in Peking im Februar bereits mit dem E-Yuan bezahlen können – per spezieller Karte, via Smartphone oder mit Chips, die etwa in Handschuhe oder Anstecker an der Kleidung integriert sind. Am Beispiel China zeigt sich aber auch eine Hürde, die alle GovCoins nehmen müssen. Weil sie von den jeweiligen Notenbanken herausgegeben werden, sind sie nicht mehr dezentral organisiert. Das heißt, die Anonymität, die viele Nutzer derzeitiger Kryptowährungen schätzen, wird es so nicht mehr geben. Zahlungen, Buchungen, Überweisungen werden sich nachverfolgen lassen – mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen.
Der Handel hofft auf einen stabilen digitalen Euro
Die EZB betont, ein Zahlungsmittel anzustreben, das in der gesamten Eurozone akzeptiert wird und die Daten der Nutzer schützt. Darauf hofft auch der HDE: Für Handel und Verbraucher sei es wichtig, ein Geschäft sicher, effizient und datensparsam auf Basis einer stabilen Währung abzuschließen. Dazu könne der digitale Euro beitragen, schreibt der Verband und hofft auf „eine effiziente Zahlungsabwicklung auch in zunehmend digitaler Umgebung, ohne dem Einfluss internationaler privater Akteure zu unterliegen.“
A+O Hostel mit ersten Anwendungen in der Realwirtschaft
Bis es so weit ist, gilt es für Unternehmen, die Entwicklung zu beobachten und gegebenenfalls erste Erfahrungen zu sammeln. Darunter verbuchen etwa die A+O Hostels, ihr Angebot, ein Zimmer statt in Euro auch mit Bitcoins bezahlen zu können. Die Anwendungsmöglichkeiten von CDBCs gehen aber noch viel weiter. So könnten sie sogenannte Smart Contracts und programmierbares Geld ermöglichen. Damit könnten Maschinen im Internet der Dinge rechtssicheren Transkationen durchführen. Vorstellbar wäre zum Beispiel ein Auto, das den Strom oder Treibstoff, den es tankt, selbst bezahlt.
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