Wachstum ist das Mantra der industrialisierten Volkswirtschaften. Seine populäre Messgröße, das Bruttoinlandsprodukt, ist Erfolgsindikator für Regierungen, Damoklesschwert in den Händen der Wirtschaftsforschungsinstitute und beliebter Programmpunkt der Nachrichtenkanäle. Der Korridor, den das Wachstum dabei treffen muss, ist eng: Ist das Plus zu groß, droht Überhitzung, ist es zu klein, klopft die Rezession mit dürrem Finger an die Tür. Auch hängt die Bewertung davon ab, wer wächst: eine satte Industrienation oder ein aufstrebendes Schwellenland. Sicher ist nur eines: Wachstum ist ein Muss.
Warum ist das eigentlich so? Warum muss der Gesamtwert der Waren und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft Jahr für Jahr steigen? Warum müssen Unternehmen wachsen und immer mehr erwirtschaften? Ist das, was wir jetzt haben, denn nicht genug? Die Antwort besteht in einem klaren Einerseits – Andererseits.
Einerseits: Nein, es ist nicht genug, denn Wachstum ist von Vorteil – und zwar nicht etwa, weil dadurch ein abstrakter Indikator ansteigt, sondern ganz konkret auch für die Menschen. Durch wirtschaftliches Wachstum bietet der Arbeitsmarkt neue Chancen, die Löhne steigen und die Renten sind gesichert. Die öffentliche Hand kann es sich leisten, die Infrastruktur zu modernisieren, in Bildung und Gesundheit zu investieren. Eingelöst wird das Wachstumsversprechen von Unternehmen. Sie sind es, die in ihrem Streben nach Absatz, Marktanteilen und Gewinn für Effizienz, Innovationen und neue Märkte sorgen. Mit ihrer Wertschöpfung tragen vor allem sie dazu bei, dass sich die Lebensumstände aller weiter verbessern.
Andererseits: Ja, es ist genug, denn diese Welt hat Schattenseiten, die spätestens der Club of Rome mit seinem 1972 veröffentlichten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ ins gesellschaftliche Bewusstsein rückte. Jenes Plus an Gütern und an Dienstleistungen, das so wichtig für die Steigerung des individuellen und volkswirtschaftlichen Wohlstands ist, führt zu einem Minus an anderer Stelle. Die These war: Wachstum basiert auf der Nutzung endlicher Ressourcen des Planeten und entzieht sich damit langfristig seine eigene Grundlage. Es geht außerdem zu Lasten des Ökosystems und droht zu einer Gefahr für die Umwelt und damit für uns alle zu werden.
Wesentliche Erkenntnisse abgeleitet
Die Prognosen, die der Club of Rome vor fast 50 Jahren publiziert und seitdem mehrfach aktualisiert hat, sind so nicht eingetroffen. Weder sind bislang die Rohstoffe zur Neige gegangen, noch ist die globale Produktion von Nahrungsmitteln zusammengebrochen – eher im Gegenteil. Etwas anders verhält es sich allerdings mit den damals ebenfalls schon beschriebenen ökologischen Risiken und Nebenwirkungen menschlichen Wachstums. Wie zum Beweis der These kam es im Sommer 2018 zu einer ausgedehnten Heiß- und Trockenperiode. Auch wenn nicht alle Prognosen der Studie eingetroffen sind, können drei wesentliche Erkenntnisse daraus abgeleitet werden.