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Das Prinzip „Nutzen statt besitzen“ haben weder Airbnb noch Uber erfunden. Die Keimzelle einer Erfolgsstory der Sharing Economy liegt im niederbayerischen Buchhofen. Dort wurde vor 60 Jahren der erste Maschinenring gegründet.
Kleine Bildchen von Landmaschinen zuckeln in krakeligen Linien über den Bildschirm. Daten, Größenangaben und Telefonnummern stehen in der Spalte daneben. Die Szene erinnert an ein Computerspiel, nur ist es nicht so laut, viel langsamer und vor allem: echt. „Hier sind wir live bei der Rübenernte dabei“, sagt Eckhard Baumgarten, während er eine Erntemaschine anklickt und ihren Auftrag prüft. Baumgarten ist Geschäftsführer des Maschinenring Wetterau, der 1990 als landwirtschaftliche Selbsthilfeeinrichtung in der Region nördlich von Frankfurt am Main gegründet wurde. Schon damals sollten die teilnehmenden Landwirte bei der Rübenernte entlastet werden: Moderne Großmaschinen wurden angeschafft und gemeinschaftlich eingesetzt, Arbeitsabläufe zentral organisiert und abgewickelt.
Die Idee trug den Keim der heutigen Sharing Economy in sich: gemeinschaftlich nutzen, statt allein besitzen. Das Prinzip ist dasselbe geblieben, dennoch hat sich seitdem viel verändert. Wo, wann und wofür die Maschinen eingesetzt werden, wird per „Farmpilot“ gesteuert, eine browserbasierte Softwarelösung für Logistik in der Landwirtschaft, die Maschinendaten ebenso verarbeitet wie den Standort per GPS. Ob Traktor, Häcksler, Erntemaschine oder „Lademaus“, wie ein Rübenreinigungslader in der Fachsprache heißt, Baumgarten beobachtet und analysiert sie alle in Echtzeit und kann sie sogar mit aktualisierten Aufträgen versorgen. „Die Fahrer der Maschinen sind mit handelsüblichen Tablets ausgerüstet, mit denen wir über das System in ständigem Kontakt sind“, sagt er.
Neben einer digitalisierten Logistik bietet der Maschinenring Wetterau eine Vielzahl von weiteren Dienstleistungen, sagt Baumgarten: „Unter anderem sind wir Treuhänder, wenn es um die Verrechnung von Kooperationen von Landwirten geht, helfen bei der Vermarktung von Produkten, beraten bei der Düngung und bieten einen regionalen Winterdienst an, bei dem sich unsere Landwirte im Winter etwas dazuverdienen können.“ Damit ist dieser Maschinenring nicht allein. Als Teil der Bundesverband der Maschinenringe e.V. bieten insgesamt 260 Geschäftsstellen deutschlandweit ähnliche Leistungen. Über 193.000, und damit nahezu drei Viertel aller noch verbliebenen 268.000 landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland, sind Mitglieder in einem der deutschen Maschinenringe.
Eine Idee setzt sich durch, aber anders als bei heutigen Sharing-Ideen wie Airbnb oder Uber waren viel Geduld und Überzeugungsarbeit gefragt. Vielleicht bemühte ihr Erfinder, der promovierte Agrarwissenschaftler und Journalist Erich Geiersberger, deshalb gerne starke Worte: Nicht weniger als die „dritte Bauernbefreiung“ hatte er ausgerufen – nach der Ablösung der feudalen Grund- und Leibeigenschaft – und wollte dieses Versprechen mit den von ihm erfundenen Maschinenringen erfüllen. Denjenigen, die seine Idee nicht gleich verstehen wollten oder konnten, donnerte er schon mal entgegen: „Ich bemühe mich leidenschaftlich, Ihnen die Zukunft zu erklären.“ Und die sah seiner Ansicht nach so aus: Bauern sollten sich die teure Mechanisierung der Landwirtschaft leisten können, indem sie die Anschaffung und den Betrieb der Maschinen den Maschinenringen überließen. „Im Prinzip war das der richtige Weg“, sagt Baumgarten, „aber heute kaufen und betreiben die Landwirte ihre Maschinen selbst, bei uns in der Wetterau meist in Form einer GbR. Wir planen, organisieren, rechnen ab und führen in einigen Fällen die Geschäfte dieser bäuerlichen Gemeinschaften.
Bereits 1958 hatte Geiersberger im niederbayrischen Buchhofen gemeinsam mit 36 Bauern den ersten Maschinenring gegründet. Bis sich ein durchschlagender Erfolg einstellte, sollte es aber dauern. Noch 1971 beklagte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ eine eher geringe Verbreitung: „… von zwei Millionen Bauern nutzen nur 45.000 die Selbsthilfe-Einrichtung“. Und das, obwohl die Vorteile auf der Hand lagen. „Der Spiegel“ berichtete von drei großstädtischen Journalistenkollegen, die gemeinsam einen Acker gepachtet hatten. Mithilfe eines Maschinenrings ließen sie die zwölf Hektar „gebäudelos, maschinenlos, arbeitslos und bewegungslos“ pflügen, düngen und mähen und fuhren dabei noch einen ordentlichen Gewinn ein.
Das Beispiel der drei „Schreibtischbauern“ von 1971 zeigt, dass damals die Idee des Maschinenrings weit über die reine Kooperation bei der Anschaffung von Maschinen hinausgeht. Der Sharing-Gedanke erstreckt sich hier über viele Elemente der Wertschöpfungskette. Was zu jener Zeit vielleicht noch revolutionär schien, ist heute Normalität: „Unsere Landwirte müssen bei der Rübenernte gar nicht mehr selbst anwesend sein“, sagt Maschinenring- Geschäftsführer Baumgarten, „allerdings empfehlen wir es ihnen trotzdem, wenigstens für die Kontrolle der Erntemenge, die zum Vermarkter geht.“
„Aus Sicht einer Leasinggesellschaft ist die Sharing Economy natürlich ein Heimspiel“, erklärt Gerald Spänig, Finanzierungsexperte der Deutschen Leasing. „Auch bei unseren Finanzierungslösungen steht für die Kunden die Nutzung einer Maschine im Vordergrund. Maschinenringe, die ihren Mitgliedern immer modernste Maschinen zur Verfügung stellen wollen, sind dabei natürlich oft interessante Partner für uns.“