„Die Verschmelzung von Maschinen und IT verändert die Investitionsprofile vieler Kunden. Gleichzeitig ermöglicht sie weitergehende Services und zusätzliche Angebote. Nutzungsabhängige Konzepte, wie das im Leasing schon lange übliche „Pay per use“, werden zunehmen“, prognostiziert Kai Ostermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leasing AG.
Wie verändert die Digitalisierung die Industrie und ihre Investitionen?
Kai Ostermann: Was wir zunehmend sehen und in Zukunft noch mehr sehen werden, ist eine Verschmelzung von Maschinen und IT – das wird auch gern beschrieben mit Begriffen wie Industrie 4.0 oder Internet of Things (IOT). Damit einhergehend nimmt der Teil an IT zu – von IT im technischen Sinne, aber auch von Software. Das wird mehr und mehr kommen und in dem Zuge werden auch mehr und mehr intelligente Maschinen und das, was man als Smart Factories bezeichnet, auf den Markt kommen. Ihr Anteil wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen.
In diesem Zusammenhang wird sich auch die Wirtschaftsordnung verändern. Und es werden neue Player entstehen, die dann investieren. Nehmen wir das gesamte Feld der Cloud-Anwendungen. An ihm ist es sehr einfach zu illustrieren: Da investiert heute ein anderer in die IT und ich selber als Unternehmen nutze nur noch Cloud-Dienstleistungen. Die Investitionen werden also durch einen anderen dargestellt. Insoweit verändern sich auch die Player in der Wirtschaftsordnung. Hier verändern sich die Rollen, wer investiert und wer nutzt.
Verändert die Digitalisierung die Bedürfnisse Ihrer Kunden?
Kai Ostermann: Firmen brauchen mehr denn je einen Partner, der eine digitale Transformation überhaupt verstehen und der mit dem Thema umgehen kann. Ich glaube, dass gerade jetzt für uns als Finanzdienstleister drei Themen auf der Kundenseite eine Rolle spielen.
Das eine ist: Wir haben es mit neuen Investitionen zu tun. Die Digitalisierung verändert die Investitionsprofile unserer Kunden. Wir haben zunehmend weniger klassische Maschineninvestitionen, sondern häufig eine Verschmelzung mit IT-Anforderungen. Der Kunde braucht für diese Dinge einen Partner, der diese Art von Investition versteht, der eine Asset-Kompetenz aufweist und der ihm auch beratend zur Seite stehen kann, in welche Richtung Investitionen zukunftsfähig durchgeführt werden sollen.
Zweitens gewinnt auch der Wunsch nach – ich nenne es mal so – Digital Convenience deutlich an Bedeutung. Kunden sind heute natürlich auch geprägt von dem Angebot der GAFA, jeder in seinem Privatleben, und hier sieht man, dass es mehr und mehr darum geht, schneller zu sein und mehr Kanäle anzubieten: All diese Anwendungen, die jeder aus seinem Privatleben kennt – von Google, von Amazon –, geben heute den Takt vor, und das werden wir auch mehr und mehr im B2B-Segment erleben.
Drittens, last but not least, bietet die Digitalisierung natürlich auch die Basis für weitergehende Services und zusätzliche Angebote. Daten, die erfasst werden können, die auch anders auswertbar sind und die vielleicht sogar eine verbrauchsabhängige Kostengestaltung ermöglichen, schaffen hier eine gute Grundlage dafür, Kunden weitere Angebote zu liefern.
Wie wird sich das Angebot an Finanzierungs- und Servicelösungen verändern? Welche Trends sehen Sie?
Kai Ostermann: Zunächst einmal sehe ich den klaren Trend, dass der Bedarf zunehmen wird. Die großen Beratungshäuser gehen davon aus, dass zur Realisation einer „smarten Fabrik“ mit einer sich selbst steuernden Produktion über einen sehr langen Zeitraum von bis zu zehn Jahren in einer Dimension von 10 bis 20 Prozent des Jahresumsatzes investiert werden muss.
Das stellt gerade für kleinere und mittlere Unternehmen eine große Herausforderung dar. Was wir verstärkt sehen werden, werden nutzungsabhängige Konzepte sein. Das ist ja durchaus etwas, was dem Leasing sehr entspricht. Schon seit den Anfangsjahren des Leasings ist das Element „Pay as you earn“, wenn man so will, Teil der DNA des Leasinggeschäfts. Das wird deutlich zunehmen. Man kann das ja auch im privaten Bereich beobachten: Streaming, Cloud – bei all diesen Anwendungen spielt Eigentum gar keine große Rolle mehr, sondern die Nutzung entscheidet. Und genau das ist und wird Kern vieler Konzepte in der Zukunft sein.
Weiterhin wird der Trend zu Plattformlösungen, zur Automatisierung, zunehmen. Kunden erwarten, dass sie uns über verschiedene Kanäle erreichen können, dass auf einer Plattform Angebote auch konfektionierbar sind, dass sie verglichen und verwaltet werden können. Wir gehen davon aus, dass diese Nachfrage nach nutzungsabhängigen Konzepten auch bei den Herstellern von Investitionsgütern mehr und mehr platziert wird und dass sie diesen Bedarf auch erfüllen müssen. Dies wird dann auch zunehmend in Kooperation mit Finanzdienstleistern erfolgen.
Dafür lassen sich heute schon viele Beispiele anführen. Etwa der Flughafen Schiphol, wo Philips mittlerweile nicht mehr Lampen verkauft, sondern Licht, und darüber eine Performance garantiert, die honoriert wird. Genau diese Konzepte werden mehr und mehr angeboten werden – auch in Kooperation von Hersteller und Finanzdienstleister.
Wir erwarten allerdings nicht, dass diese Veränderungen in einem Big Bang kommen, sondern gehen davon aus, dass es weiterhin eine große Nachfrage nach ganz traditionellen Angeboten geben wird, gerade bei größeren Projekten und Investitionen, die dann auch mehr und mehr eine Individualisierung erfordern – teilweise bis hin zur Projektfinanzierung. Hier wird es weiterhin konventionelle Angebote geben. Der Markt wird insgesamt auf alle Fälle vielfältiger werden.“